Update vom anderen Ende der Welt und ein paar wirre Gedankengänge

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wohin mich dieser Blogeintrag bringen wird und wovon er handelt. Ich lass mich jetzt erstmal selber überraschen, aber ich habe das Gefühl, dass ein Update aus meinem Leben mal wieder fällig wäre.

Fangen wir doch mal mit meinem Gefühlsstand an: Ich fühl mich immer noch pudelwohl hier, ich liebe Buga und ich hab definitiv ein zweites Zuhause und eine zweite Familie hier gefunden, aber trotzdem ist natürlich auch nicht alles immer rosarot. War es in Deutschland ja auch nicht. Da gibt es manchmal (aber wirklich selten) die Momente, in denen ich mich frage, was ich denn hier jetzt eigentlich mache. Stellt euch folgende Situation vor: Ihr steht als frischgebackener Abiturient, der selber erst vor kurzem die Schulbank gedrückt hat, ohne Erfahrungen im Unterrichten (allein diese Tatsache ist schon ziemlich crazy) vor einer 10. Klasse und erklärt seelenruhig und mit dem einfachsten Englisch, was möglich ist die Aufgabe, die die Schüler lösen sollen und dich gucken nur 25 verständnislose Gesichter an und über den Köpfen schweben riesengroße Fragezeichen. Keiner versteht, was ich ihnen sagen möchte. Okay next try, diesmal auf Spanisch. Jetzt scheitert es natürlich an meinen Kenntnissen, denn auch wenn mein Spanisch sich im Vergleich zum Anfang stark verbessert hat, hab ich trotzdem Probleme Dinge ausführlich zu erklären. Gut das hat dann wohl auch nicht wirklich funktioniert und ich gebe das Wort an Lilian, die eigentliche Englischlehrerin, ab, damit sie die Aufgabe auf Spanisch erklären kann und die Schüler endlich wissen, was sie zu tun haben.  Wenns das dann gewesen wäre, wär das ja kein großes Drama, aber nein, es geht noch weiter. Die Aufgabe handelt von einem Thema, was wir seit drei Wochen behandeln und wirklich nicht schwer ist. Ich glaube jeder kann verstehen, dass es unglaublich frustrierend ist, wenn die Schüler mit Fragen ankommen, die jede Stunde aufs Neue geklärt werden und ich wieder von vorne erklären muss. Neulich kam dann ein Schüler zu mir und fragte mich, ob ich böse wäre, weil ich so komisch gucke. Ja wie erklärt man dann, dass man nicht böse, sondern nur mit seinem Latein am Ende ist (kleiner unlustiger Funfact am Rande: Ich war eh noch nie gut in Latein) ?! Aber gut, ich habe auch Schüler mit denen der Englischunterricht viel Spaß macht und die auch verhältnismäßig viel wissen, dadurch werden die negativen Gedanken dann wieder vertrieben. Aber generell muss man leider sagen, dass die meisten Schüler kein Interesse am Englischlernen haben und nach fast 10 Jahren Englischunterricht die Schule verlassen und lediglich "Hello. My name is..." mit einer ziemlich schlechten Aussprache können. Das Schulsystem in Kolumbien ist also definitiv noch verbesserungswürdig, aber ich denke ich werde bald mal einen eigenen Eintrag dazu verfassen. Genug jetzt zu diesem Thema.

Ich habe natürlich auch einige schöne Sachen zu berichten. Seit letzter Woche unterrichte ich jetzt auch endlich deutsch, hat ja auch nur fast einen Monat gedauert... Jetzt habe ich also endlich auch wieder mehr zu tun und weiß meine freie Zeit viel mehr zu schätzen. Der Unterricht steht noch ziemlich am Anfang und es ist teilweise ziemlich ungewohnt, aber es macht mir unglaublich viel Spaß und die Schüler sind sehr motiviert. Vier Mal die Woche unterrichte ich jetzt für 2h bzw 2 1/2h Deutsch und ich habe dabei zwei verschiedene Kurse, einen für Anfänger und einen für Fortgeschrittene, der nur aus fünf Personen besteht. Unterricht in diesem Kurs ist immer sehr entspannt, weil ich fast durchgängig mit den Schülern deutsch reden kann und wir viel lachen können. Ich bin gespannt, ob meine Anfänger in einem Jahr auch so gut sprechen, wie die Fortgeschrittenen jetzt. Ich gebe mir auf jeden Fall Mühe, dass sie das auch schaffen. Zum Anfang habe ich meine Schüler mithilfe einer Karte gefragt, wo Deutschland ist (Danke Selina an dieser Stelle, die Idee hab ich von dir geklaut ;D) ,wie groß es ist und wie viele Menschen dort leben. Es waren alle ganz erstaunt, als ich meinte, dass Deutschland viel, viel kleiner als Kolumbien ist, aber fast doppelt so viele Einwohner hat. So leicht kann man hier auch Erwachsene zu einem vor Erstaunen offenen Mund bringen. 

 

Nachbereitungsseminar

Das letzte Wochenende hab ich meine Zeit mal wieder in Cali verbracht, wie es relativ häufig der Fall ist. Diesmal hatte es aber auch einen richtigen Grund, denn wir hatten ein eineinhalbtägiges tolles Seminar dort für die Ex-Incomer, also die Kolumbianer, die im letzten Jahr in Deutschland gelebt und gearbeitet haben, die wir auf dem Vorbereitungsseminar in Ruhpolding kennenlernten und die jetzt seit ungefähr einem Monat wieder alle zurück in ihrem alten Leben in Kolumbien sind. 

Gemeinsam haben wir ihr Jahr reflektiert, über Änderungen der Persönlichkeit, Erwachsensein- und werden, Vermissen und ihre Zukunftspläne gesprochen und natürlich viel Spaß zusammen gehabt. Es hat mich mega gefreut, alle wieder zu sehen und durch eine Brotzeit zum Mittagessen kam bei uns allen auch gleich wieder Ruhpoldingstimmung auf. Ich fand es außerdem auch unglaublich spannend, Deutschland im Vergleich zu Kolumbien aus der Sicht der Incomer zu sehen und zu erfahren, wie ein Auslandsjahr in Deutschland so ist. Solche Momente zeigen mir immer wieder, wie toll das Incoming-Programm und generell der internationale Austausch ist, den wir als Freiwillige alle leben und unterstützen. Und wenn ich vorher vielleicht teilweise gezweifelt habe, ob es überhaupt sinnvoll ist hier in Kolumbien zu sein, ist jeder Zweifel sofort verschwunden, wenn ich mich mit den anderen über unsere Arbeit unterhalte oder in die strahlenden Augen der Incomer blicke, wenn sie von ihrem Jahr in Deutschland und ihren Erfahrungen erzählen und ich mit Stolz behaupten kann, ein Teil dieses großen Ganzen zu sein, das anderen Menschen so viele neue Möglichkeiten eröffnet. 

Wenn mich jemand fragen würde, ob ich es bereue nach Kolumbien gegangen zu sein, wird meine Antwort auch immer ein klares NEIN sein, auch in den schwierigsten Momenten, denn niemand hat behauptet, dass es ein Zuckerschlecken hier wird, aber an Herausforderungen wachsen wir und sie lassen uns entschlossener und stärker werden. Also lasst uns wachsen !

Weil es gerade passt und ich weiß, dass es viele von euch interessiert. Ja, ich habe hier auch schon Gewalt, Brutalität und Drogen erlebt, was das typisches Bild eines Deutschen von Kolumbien nur bestätigt (an dieser Stelle vielen Dank an Narcos, dass dieses Klischee dadurch nur weiter unterstützt wird). Ich habe lange überlegt, ob ich diese Erfahrungen überhaupt hier teile, aber ich habe mir vorgenommen auf diesem Blog ehrlich zu mir und vor allem zu euch zu sein. Gleichzeitig sehe ich es aber auch als meine Pflicht an, mein neues Heimatland dahingehend zu verteidigen, denn das wahre Kolumbien ist ganz anders, als man immer hört. Nicht jeder Kolumbianer ist gleich kriminell und Drogenverkäufer, die meisten nehmen hier rigoros Abstand von Drogen. Stattdessen begegnet man hier unglaublich offenen, liebenswerten und nahbaren Menschen, die es lieben, Ausländer die besten Seiten ihres Landes zu präsentieren und dabei mit vollem Herzblut dabei sind. Also macht euch ein eigenes Bild über bestimmte Begebenheiten, Situationen und Personen, bevor ihr über sie urteilt, auch wenn sie noch so klein und unbedeutend sind und lasst uns die Welt verschönern ! 

Dinge, die ich sonst noch so erlebt habe:

1. Egal wie gut mein Blogeintrag auch ist, wenn Vaddern nen Kommentar dazu schreibt, feiert alle Welt den mehr ;D. Vielen Dank auch Papa... Wer die Beziehung von meinem Vater und mir übrigens nicht kennt, das Wort Hassliebe trifft es glaube ziemlich gut. 

2. Ich habe es tatsächlich geschafft eine Gastfamilie für Jana zu finden... Nur mal gucken, wie lange sie dort noch bleibt 

3. Ich habe mittlerweile schon ne relativ gute Orientierung hier in Buga und auch das Straßensystem hab ich verstanden 

4. Für mich hat meine Gastfamilie sogar die Kaffeemaschine wieder rausgeholt, damit die Deutsche morgens ihren Kaffee trinken kann

5. Dank der Zeitverschiebung konnten wir Deutschen ganz entspannt am Frühstückstisch Wahlwetten machen und die Wahlergebnisse zu normalen Tageszeiten verfolgen

6. Einem bestimmten Kolumbianer sollte man am besten kein Bier in die Hand geben oder ausreichend Sicherheitsabstand lassen, sonst gibts ne kleine Dusche 

7. Tanzen ist wie eine zweite Sprache hier, aber es geht nicht um die korrekten Schritte, sondern viel mehr um das Fühlen der Musik und einfach Spaß haben, an dem was man tut 

8. Ich muss mir einen anderen Namen für meine Gastmama ausdenken, denn aus Faulheit hab ich angefangen, immer nur von meiner Mama und meiner Familie zu reden und habe dann verwirrte Blicke bekommen, da nicht klar war, ob ich jetzt von meiner richtigen Mama und Familie in Deutschland spreche oder von meiner Gastfamilie. 

9. Am Wochenende geht es mit Jana ab nach Cartago, wo der Rest meiner Gastfamilie wohnt. Ich freue mich schon sehr alle wieder zu sehen und eine neue Ecke von Kolumbien zu besuchen

10. Wenns hier regnet, was in letzter Zeit ziemlich häufig vorkommt, geht hier eine Art Monsunregen los, der schon öfter dafür gesorgt hat, dass wir Wasser im Haus aufwischen mussten. Ich glaube unser Dach ist auch nicht mehr das Neueste...

 

Hasta pronto, Mara 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Jan Weinert (Mittwoch, 11 Oktober 2017 14:50)

    Hallo P...............,
    verdammt viel Information in 1374 Worten und dass mit nur einem "eh" und auch noch ohne "halt" (Hallo Ellen :)). Und ja, ich habe mich unter Garantie bei den Wörtern verzählt. Hast du klasse geschrieben, ich würde so etwas nicht hinbekommen.
    Ja, du/ihr wollt/sollt wachsen an den Herausforderungen, das ist doch neben der Arbeit vor Ort auch Sinn und Zweck des FSJ.
    Hauptsache du denkst bei der Rückkehr daran, dass wir nicht Gastmama und Gastpapa sind. Lass es dir weiter gut gehen und weniger Regen im Haus.

    Warum Vadders Kommentar gefeiert wird ist doch völlig klar. Erstens ist es der erste Kommentar und zweitens der einzige. Hey Leute, echt, ich finde es schade, wenn man sich in anderen Medien über den Blog austauscht, aber sich hier nicht zu Wort meldet. Klar könnte ich meinen ganzen Mist auch über Skype Mara sagen, aber das hier zu tun ist für mich eine Würdigung der Arbeit, die dieser Blog macht.

    PS: der Kommentar ist von Mama autorisiert ^^

  • #2

    Mara (Mittwoch, 11 Oktober 2017 15:31)

    Du hast nicht ernsthaft alle Wörter gezählt ? ;D

  • #3

    Jan Weinert (Donnerstag, 12 Oktober 2017 01:42)

    Aber klar doch, für dich ist mir doch keine Arbeit zu schwer. ^^